Das 4. HRÄG (Hochschulrechtsänderungsgesetz)
Um was geht es?
Die Novellierung des Landeshochschulgesetzes (LHG) ist Teil des Vierten Hochschulrechtsänderungsgesetzes (4. HRÄG). Diese Änderungen beeinflussen dabei das direkte Geschehen und die Struktur der Hochschulen im Bundesland Baden-Württemberg. Das 4. HRÄG bringt viele gute Änderungen mit sich, beispielsweise die Schaffung einer Anlaufstelle gegen sexuelle Belästigung und Diskriminierung, leider sieht es aber auch eine Wiedereinführung des sogenannten Ordnungsrechtes und ein Verhüllungsverbot vor.
Was ist dieses „Ordnungsrecht §62a“?
Ursprünglich wurde das Ordnungsrecht 2005 abgeschafft. Denn bis dato war es der Universitätsleitung möglich, ein*en Studierende*n zu exmatrikulieren, wenn diese*r mit Gewalt den Studienbetrieb stört oder verhindert. 2020 soll dieser Paragraf nun wieder in verschärfter Form eingeführt werden. Denn jetzt sollen Studierende bereits „bei einem schwerwiegenden oder wiederholten Verstoß gegen eine rechtmäßige Anordnung im Rahmen des Hausrechts“ die den Universitätsbetrieb stört, beeinträchtigt oder verhindert, exmatrikuliert werden.
Warum kritisieren wir das Ordnungsrecht?
Die Idee hinter dem Gesetzentwurf ist es, den Hochschulen eine bessere Handhabe gegen gewaltbereite Studierende zu geben. Häufig fällt der Nachweis eines konkreten Tatbestands, vor allem bei sexueller Belästigung und Gewalt, schwer. Der neue Gesetzesentwurf sieht dazu ebenfalls die Schaffung einer fest etablierten Ansprechperson an allen Hochschulen für Fragen im Zusammenhang mit sexueller Belästigung vor – was wir sehr begrüßen.
Die Einführung des §62a halten wir im Gegensatz für unverhältnismäßig: Bereits jetzt kann nach §62 Absatz 3 Nr. 3 sexuelle Belästigung mit Exmatrikulation geahndet werden. Das Ordnungsrecht ist damit überflüssig und schafft viel mehr Rechtsunsicherheit im Hinblick auf die konkrete Auslegung des Paragrafen. Ab wann wird der Studienbetrieb beeinträchtigt, verhindert oder zu verhindern versucht? Ab wann ist die Ausübung der Rechte und Pflichten erheblich beeinträchtigt bzw. ab wann wird von einer Ausübung abgehalten oder abzuhalten versucht?
Diese schwammigen Definitionen könnten damit auch zur Verhinderung von unliebsamem Protest oder jeglichen anderen Formen des „Widerstands“ gegen das Hausrecht ausgelegt werden. Des Weiteren trägt der Paragraf zu einer Verschiebung der Kompetenzen bei. Die Aufklärung von Straftaten muss Aufgabe der dafür zuständigen Sicherheitsorgane bleiben. Indem sie in den Verantwortungsbereich der Universitäten übertragen wird, wird eine Paralleljustiz geschaffen, die der Willkür der jeweiligen Rektorate unterliegt.
Und das Verhüllungsverbot?
Die Landesregierung begründet die Einführung des Verhüllungsverbots damit, dass prüfungsrechtliche Vorgaben, besondere Anforderungen einzelner konkreter Lehrveranstaltungen oder Sicherheitsaspekte die volle Sichtbarkeit des Gesichts voraussetzen. Auch wenn das erstmal ein begründetes Anliegen ist, erscheint das Verhüllungsverbot doch als symbolpolitische Maßnahme. Bisher gab es keine bekannten Fälle, in denen die Schaffung eines Verhüllungsverbots notwendig wurde. Des Weiteren zeigt die Erfahrung: Verhüllungsverbote schaffen mehr Konflikte als Lösungen. Sollte die Vollverschleierung in einer konkreten Situation zu einer Schwierigkeit werden, helfen Dialog und Kommunikation – nicht Konfrontation und Ausgrenzung.
Wir brauchen eure Unterstützung! Das Gesetz wird gegen Ende des Jahres verabschiedet, derzeit läuft die Debatte darüber.
Unterschreibt jetzt unsere Petition und informiert eure Kommiliton*innen als auch Freund*innen über die drastischen Änderungen des 4.HRÄG. Auch ein Gespräch mit eurer Landtagsabgeordneten oder anderen Parteiangehörigen ist wirksam!
Kontakt:
Ihr habt Fragen oder eine Aktionsidee? Schreibt uns an stuve.hopo@uni-konstanz.de.
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Zur Pressemitteilung des DGB
Zu unserer Materialplattform gelangt Ihr hier.
Zur kompletten Stellungnahme der LaStuVe
Gesamter Gesetzentwurf (Text oder tabellarische Lesefassung)
Pressemitteilung der Verfassten Studierendenschaft
Beschluss des StuPa
UPDATES
UPDATE vom 28.10.2020
UPDATE vom 28.10.2020: Änderungen am §62a
Die Landesregierung hat am 20.10.2020 einen Änderungsvorschlag zum §62a rausgebracht. Den aktuellen Regierungsentwurf vom 20.10.2020 findest Du hier . Dieser sieht vor, dass nun ein sogenannter Ordnungsausschuss Studierende bei Verstößen gegen das Hausrecht sanktionieren soll.
Alt:
Über Ordnungsmaßnahmen wird vom Rektorat in einem förmlichen Verfahren nach den §§ 63 bis 70 LVwVfG entschieden. Mit der Exmatrikulation ist eine Frist bis zur Dauer von zwei Jahren festzusetzen, innerhalb derer eine erneute Immatrikulation an der Hochschule ausgeschlossen ist
Neu:
Über die Verhängung einer Ordnungsmaßnahme entscheidet ein Ordnungsausschuss, dem mindestens ein stimmberechtigtes Mitglied aus der Gruppe der Studierenden der Hochschule angehören muss. Der Senat regelt das Nähere zur Zusammensetzung des Ordnungsausschusses und das Verfahren zur Verhängung einer Ordnungsmaßnahme durch Satzung, die der Genehmigung des Rektorats bedarf. Mit der Exmatrikulation ist eine Frist bis zur Dauer von zwei Jahren festzusetzen, innerhalb derer eine erneute Immatrikulation an der Hochschule ausgeschlossen ist.
Bewertung:
Der Ordnungsausschuss, in dem mindestens eine studentische Vertretung sitzen soll und welcher über die Exmatrikulation entscheiden soll, lässt völlig offen, warum Mitglieder ohne juristische Kompetenz über mutmaßliche Vergehen, Gewalttaten usw. entscheiden sollen. Die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass deren Willenserklärung durch Mehrheitsbeschluss im Ordnungsausschuss überstimmt wird. Ein zwingendes, gesetzlich vorgegebenes Einstimmigkeitsprinzip sieht der bisherige Entwurf nämlich nicht vor, sondern überlässt hier dem Senat bedingten Gestaltungspielraum durch Satzung. Bedingt, weil das Rektorat der Satzung zustimmen muss und das Rektorat sehr wahrscheinlich nicht den Studierenden dabei ein Vetorecht einräumen wird. Wir bleiben bei unserer Positionierung: keine Einführung des Ordnungsrechts, auch nicht in Kombination mit einem Ordnungsausschuss, der nur augenscheinlich eine studentische Mitbestimmung zulässt.
UPDATE vom 23.10.2020
UPDATE vom 23.10.2020: Die Landesregierung hat sich hier zu unseren Forderungen positioniert. Insbesondere mit Hinblick auf §62a wurde folgender Punkt geändert:
„§ 62 a Abs. 3 ist geändert worden von
Über Ordnungsmaßnahmen wird vom Rektorat in einem förmlichen Verfahren nach den §§ 63 bis 70 LVwVfG entschieden. Mit der Exmatrikulation ist eine Frist bis zur Dauer von zwei Jahren festzusetzen, innerhalb derer eine erneute Immatrikulation an der Hochschule ausgeschlossen ist.
zu
Über die Verhängung einer Ordnungsmaßnahme entscheidet ein Ordnungsausschuss, dem mindestens ein stimmberechtigtes Mitglied aus der Gruppe der Studierenden der Hochschule angehören muss. Der Senat regelt das Nähere zur Zusammensetzung des Ordnungsausschusses und das Verfahren zur Verhängung einer Ordnungsmaßnahme durch Satzung, die der Genehmigung des Rektorats bedarf. Mit der Exmatrikulation ist eine Frist bis zur Dauer von zwei Jahren festzusetzen, innerhalb derer eine erneute Immatrikulation an der Hochschule ausgeschlossen ist.
§ 65 a Abs. 5 Sätze 5 und 6 sind geändert worden von:
Die Hochschule kann aufgrund einer Vereinbarung mit der Studierendenschaft für diese in deren Namen die folgenden Angelegenheiten und Geschäfte nach den Beschlüssen der Organe der Studierendenschaft und im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen erledigen:
1. der Einzug der Beiträge nach Satz 2,
2. die Abgaben-, Kassen- und Rechnungsgeschäfte.
Die Vereinbarung kann vorsehen, dass die Studierendenschaft hierfür einen Finanzierungsbeitrag leistet.
zu
Die Hochschule kann aufgrund einer Vereinbarung mit der Studierendenschaft für diese in deren Namen die Abgaben-, Kassen- und Rechnungsgeschäfte nach den Beschlüssen der Organe der Studierendenschaft und im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen erledigen. Die Vereinbarung kann vorsehen, dass die Studierendenschaft hierfür einen Finanzierungsbeitrag leistet.“
Die LaStuVe wird in Kooperation mit der DGB in den nächsten Tagen die Positionen überarbeiten. Umso wichtiger ist es, den aktuellen Stand der Verhandlungen zu verfolgen und unseren Telegram / WhatsApp Gruppen beizutreten.
Demonstrationen gegen die Unterfinanzierung der Landesuniversitäten
Im November 2019 schloss sich die StuVe der Universität Konstanz den landesweiten Demonstrationen gegen die Unterfinanzierung der Landesuniversitäten an. Das Referat für Hochschulpolitik mobilisierte die Studierenden der Uni, um gemeinsam mit der HTWG Konstanz in der Innenstadt dem Unmut der Studis eine Stimme zu geben. Anlass waren die aktuellen Verhandlungen zum Hochschulfinanzierungsvertrag 2021 (HoFV II) in Baden-Württemberg. Die Demonstration mit anschließender Kundgebung wurde von der Studierendenvertretung der Universität Konstanz organisiert – mit Unterstützung der Universitätsleitung und der Hochschule Konstanz Technik, Wirtschaft und Gestaltung (HTWG Konstanz).
Sie diente als Zeichen gegen den derzeitigen Sparkurs der Landesregierung. Analysen zufolge ist der jährliche Mitteleinsatz pro Student*in zwischen 1998 und 2018 inflationsbereinigt um 3.540 Euro gesunken. Im gleichen Zeitraum hat das Land Baden-Württemberg seine Investitionen auf anderen Gebieten kontinuierlich gesteigert. Bei den Schüler*innen liegt der Prozentsatz der Mittelerhöhung mittlerweile bei über 60 Prozent. Die Hochschulfinanzierung bleibt davon ausgenommen.
Mehr zum Thema und den Forderungen der Landesuniversitäten findet ihr auf der Website der Universität Konstanz im Artikel über die Hochschulfinanzierung sowie auf der landesweiten Website nosciencenofuture.de